Der Faust-Stoff in der Musik



Der Faust-Stoff in der Musik

Als erstes Beispiel für das Thema habe ich Charles Gounod's "Margarete" ausgewählt. Charles Gounod wurde am 17. Juni 1818 im französischen Saint-Cloud geboren und starb ebenda am 18. Oktober 1893. Als Komponist machte er sich vor allem als Meister der lyrischen Oper einen Namen. Sein bedeutendstes Werk auf diesem Gebiet ist zweifelsohne "Margarete" aus dem Jahr 1859, sowie "Romeo & Julia" von 1867. Darüberhinaus schuf er ein Requiem[1], mehrere Messen, Oratorien[2], Kantaten[3] und Orchesterwerke.



Bei "Margarete" handelt es sich um eine Oper, die aus fünf Akten besteht. Neben Charles Gounod als Komponisten arbeiteten auch Jules Barbier und Michael Carré als Librettisten[4] an diesem Musikwerk mit. Dabei orientierten sie sich am Text von Johann Wolfgang von Goethes "Faust 1". Die Oper wurde im Jahre 1859 am Pariser Opernhaus uraufgeführt.

Die Stimmlage der Schauspieler beziehungsweise Sänger entspricht dem jeweiligen Charakter: Faust (Tenor), Margarete (Sopran), Mephisto (Baß), Valentin (Bariton), Siebel (Sopran o. Tenor), Brander (Bass). Die Musik lebt vorallem vom innigen Zusammenspiel des Orchesters unter einem Dirigat , daß auch auf die Sänger eingeht und ihnen den nötigen Freiraum zur musikalischen Entfaltung läßt. Vor allem Mephisto sollte durch Klangfülle, elegant-diabolischem Auftritt und dämonischem Lachen überzeugen. Dazu die Marthe, die mit temperamentvoll-dunkler Stimme mit dem Teufel schäkerte.

Weitere Personen sind Studenten, Soldaten, Bürger, Frauen, Mädchen, Geistererscheinungen, Hexen, Gespenster, Dämonen und Engel. Die Handlung spielt im Deutschland des 16. Jahrhunderts an mehreren Schauplätzen: Fausts Studierstube, Vor einem Gasthof, Garten bei Margarete, Margaretes Zimmer, In der Kirche, Straße, Walpurgisnacht und Kerker.

Um die Oper besser vorstellbar zu machen und den Vergleich zu Goethes Faust zu erleichtern, möchte ich an gegebener Stelle einige Impressionen der Mönchengladbacher Inszenierung einstreuen, ohne dort gesondert auf diese einzugehen.

Wenn sich der Vorhang hebt, erblickt der Zuschauer einen vollkommen weißen, geschlossenen Bühnenraum. Die Wände sind mit Skizzen übersäht, die im Verlauf des Stücks aufgeklappt und auf unterschiedliche Art und Weise beleuchtet werden. Von Anfang an sind so alle Elemente der Inszenierung auf der Bühne präsent und nachvollziehbar.

Die verschiedenen skizzierten Motive entstammen der Bildersprache René Magrittes[5], beispielsweise die Silhouette des Mannes mit Melone, Wolken, Bäume, große Flaschen und anderes. Das farbige Licht expliziert die jeweils aktuellen Elemente und die Einzelpersonen: Rot kennzeichnet vor allem Faust und Mephisto,.

Wie also schon an den Personen, der Zeit und dem Ort der Oper erkennbar, gibt es deutliche Parallelen zum Goetheschen Vorbild. Die Ereignisse im 1. Akt der Oper sind diesem äußerlich nachgebildet: wie im Drama hält Faust in seiner Studierstube den Monolog über seine Unzulänglichkeit, an der er zu verzweifeln droht. Darauf folgt der rettungsverheißende Ostergesang, farblich hervorgehoben durch grünes Licht. Auch die große Flasche und das Volk erstrahlen zur Feier des Tages in grün. Mephisto verschafft Faust neue Jugendlichkeit und zeigt ihm Margaretes Spiegelbild.

Die Auftritte des Chors sind jedesmal einfallsreich gestaltet - Herren in schwarzem Anzug mit Melone, Damen im Kostümchen, alle sind mit Regenschirm ausgestattet, der wiederholt zum Einsatz kommt. So zum Beispiel beim Volksfest im 2. Akt. Hier findet das Gebet von Margaretes Bruder Valentin ("Da ich nun verlassen soll") seinen Platz, das ursprünglich gar nicht in der Partitur vorhanden war. Mephisto stimmt das Lied vom Golde an, das die Welt regiert. Zu den beschwingten Klängen des "Faust-Walzers" dreht sich das Volk im Tanz.

Im dritten Aufzug beginnen Gounods Librettisten, sich vom Goethe-Text zu lösen und analog den Erfordernissen einer klassischen Liebesoper zu arbeiten. Hierbei bedienen sie sich verschiedener Motive aus dem Osterspaziergang und Auerbachs Keller, die sie gekonnt miteinander verflechten.

Faust nähert sich indes Margarete ohne Erfolg, zumindest anfangs. Die Szene Garten stellt wiederum eine neue, gekonnte Mischung verschiedener Motive dar, die alle Merkmale einer lyrischen Oper aufweist. Mit seiner "Blumenarie" tritt Siebel in den Vordergrund, der zum schüchternen Liebhaber Margaretes geworden ist.

Margaretes "Juwelenarie" leitet zum Höhepunkt von Gounods Oper hin, dem prachtvollen Liebesduett zwischen Faust und Margarete. Hitze und Sinnlichkeit werden noch zusätzlich durch Mephistos Verführungskünste geschürt.

Doch Faust überläßt Margarete ihrer Gewissensnot und Schmach. Auf expressive Art wird die Kirche im Bühnenraum stilisiert. Das Kreuz war zuvor als Skizze bereits sichtbar, diese Skizze durchstoßend betritt Mephisto furchteinflößend die Kirche und ist rot angestrahlt am Kreuze zu sehen. Margaretes Gebet in der Kirche folgt der Auftritt der Landsknechte vor ihrem Haus. Diese Szene, die nachträglich von Gounod eingefügt worden ist, wurde als "Soldatenchor" berühmt.

Seine Reue treibt Faust zurück zu Margarete. Valentin fordert ihn zum Duell. Im Sterben liegend verflucht er seine ehrlose Schwester.

Die Walpurgisnacht im Schlußakt der Oper ist ein echtes Pariser Ballett.

Nach einer Verwandlung sehen wir die als Kindesmörderin verurteilte Margarete im Kerker - von Sinnen und völlig verwirrt. Faust, der aufs Neue von der Reinheit seiner Geliebten ergriffen ist, dringt in Margaretes Verlies ein und will sie zur Fluch bewegen. Aber die Sterbende wählt den Weg zu den wahren himmlischen Freuden. Engel tragen sie empor. Ihre Erlösung erstrahlt ebenfalls in leuchtendem Grün.


Eine weitere Adaption des Faust-Themas lieferte der deutsche Komponist Hermann Reutter mit seiner Oper "Doktor Johannes Faust" aus dem Jahre 1937. Das Schaffen des gebürtigen Stuttgarters umfaßt teils volkstümliche, teils gemäßigt moderne Stücke, darunter Opern, ein Oratorium sowie Klavierstücke und Lieder. Neben dem Faust verarbeitete er in seinen Werken auch andere literarische Gestalten, so etwa "Don Juan & Faust" 1950 und "Hamlet" 1980.


Doch nicht nur "normale" Komponisten haben sich mit der sagenumwobenen Gestalt des Doktor Faust auseinandergesetzt. Auch in der modernen Musikszene gibt es viele Interpretationen des Themas. Allein auf dem Gebiet der Musicals gibt es mindestens drei verschiedene Stücke.




Erstes Beispiel soll "Faust - Die Rockoper" sein. Im sogenannten Intro des Stückes entsteigt der Teufel (-sgeiger) Mephisto der Hölle und begibt sich Geige spielend unter die Irdischen. Er sucht die Begegnung mit Gott.

Die Szene "Tierischer als jedes Tier" berichtet von Mephistos Vorwurf an Gott, daß der Mensch seine Vernunft nur zum Negativen gebrauche. Dies demonstriert er durch das Aufzeigen der 7 Todsünden (Stolz, Zorn, Trägheit, Geiz, Völlerei, Neid und Wollust). Mephisto wettet mit Gott, daß er den Gelehrten Heinrich Faust "auf seinem Wege mit herabziehen" kann.

Dieser wird nun im Song "Der Magie ergeben" vorgestellt. Er ist am Ende seiner Weisheit angelangt und befindet sich psychisch in einer Sackgasse. Er weiß immer noch nicht "was die Welt im Innersten zusammenhält". Deshalb ist er bereit, konventionelle Wege zu verlassen und sich der Magie hinzugeben. Was Denken und Wissen nicht vermochten, soll ihm jetzt die Zauberkunst verschaffen. Über das allumfassende Wissen will Faust Gottähnlichkeit erlangen ("Erdgeist"). Deshalb ruft er den Erdgeist symbolisiert durch die 4 Elemente (Wasser, Feuer, Luft und Erde) an. Dies ist der vorchristliche Gott, die Erdenmutter Ostara. Der Erdgeist weist Faust in seine Schranken und so treibt die Erkenntnis, "dem Wurme zu gleichen", Faust zum Selbstmordversuch ("Das Leben mir verhaßt"). Im letzten Moment wird Faust durch den Gesang der Geister ("Geistergesang") abgehalten, das tödliche Gift zu trinken. Zu den Gesängen ertönt eine Harfe sowie eine Windharfe.

In dieser Phase der Leere tritt Mephisto ("Das Böse") in das Leben von Faust. Mephisto verspricht: "Ich gebe dir, was noch kein Mensch geseh'n." Faust und Mephisto unterzeichnen einen Pakt mit "einem Tröpfchen Blut" ("Du bleibst doch immer"). Anschließend reisen sie zum Hexenrevier. Dazu ertönt im Hintergrund des Goetheschen Textes Steppenwolf´s Musik "Born to be wild". Dies soll als kurzer Einblick in "Faust - Die Rockoper" genügen.

Mit der provokanten Aufforderung "Vergessen wir die Tragödie - jetzt kommt die teuflisch rasante Musicalshow!" geht "Faust & Fisto" in das Rennen um die Gunst des Publikums. Hier wird der Transport des Stoffes in die heutige Zeit noch deutlicher.

Faust herrscht ein wenig tolpatschig in seinem Büro hoch oben im 23. Stockwerk eines Wolkenkratzers über sein Firmenimperium, leidet jedoch an abgrundtiefen Selbstzweifeln. Fisto (=Mephisto), ein teuflisches Schlitzohr mit einer geballten Ladung unwiderstehlicher Attraktivität, verführt Faust zu einem klassischen Pakt, um ihn für seine Zwecke zu mißbrauchen. Er wettet halt leidenschaftlich gern Faust's Sekretär und prädestinierter Nachfolger, Wagner, interessiert sich stärker für seinen Chef, als es diesem lieb ist. Und auch er hat so seine Problemchen. Gretl ist jung und hübsch. Doch sie ist auch einsam und unzufrieden als Barfrau in einer Kellerkneipe. Sie fühlt sich stark zu Faust hingezogen, ohne zu ahnen, in welch vertrackte Lage sie dadurch geraten wird

Die Drei Erzengel Raphael, Gabriel und Michael heißen in "Faust & Fisto" "Dirty Angels" und langweilen sich im Himmel zu Tode. Als Showtruppe durchkreuzen sie in der irdischen Szenekneipe "Auerbach's Keller" Fistos Pläne. Frau Marthe tritt als nervtötende Nachbarin und Drogenhändlerin genannt "Die Hexe" auf den Plan. Weitere Personen sind ein überheblicher Theaterdirektor, ein durchgeknallter Dichter und kein geringerer als Der Herr. Sie schließen die verrückte Runde und erschweren einen ordentlichen und gesitteten Ausgang der Geschichte erheblich. "Faust & Fisto" bietet mehr als zwei Stunden Bühnenspaß mit pfiffiger Musik, absurden Dialogen und temporeichen Szenen, es ist ein freches Spiel mit dem klassischen Stoff, eine eigenwillige Verneigung vor dem Vorbild.



Dem Charakter Mephistos widmet sich das gleichnamige Musical. Es basiert auf dem alten Fauststoff, der auf unsere heutige Zeit übertragen wurde. Elemente des alten Puppenspiels aus dem 17. Jh. und aus Goethes "Faust" bilden die Grundlage. Das Ganze ist aufgemischt mit zum Teil spitzen, ironischen Anspielungen auf liebsame und unliebsame Zeiterscheinungen. Der Text wechselt in oft rasantem Tempo zwischen verschiedenen sprachlichen Ebenen: die gehobene Sprache des Schutzengels steht in deutlichem Gegensatz zum frech-frivolen Stabreim-Deutsch der Teufel. Offene oder versteckte Goethe-Zitate wechseln sich ab mit der Sprache des modernen Managements, dem psychologischen Slang, dem Szenedeutsch und dem sinnfremden Pathos von Festveranstaltungen. Das Stück bietet mit seinen Aktionen, Spezialeffekten und Tänzen nicht nur etwas fürs Auge, es unterhält auch mit geschliffenen und witzigen Dialogen, nachdenklichen Sentenzen; es eröffnet ein intellektuelles und sinnliches Vergnügen. Die Mischung macht's auch bei der Musik. Jede Nummer hat ihren eigenen Charakter. Faust und Gretchen schwelgen in eingängigen Liebesliedern. Mephisto stellt sich vor im Stil einer Mozart-Arie, Luzifer staucht swingend die Teufel zusammen, die Hexen rappen, Himmel und Hölle singen und tanzen zu Tangoklängen und die Moral wird in schönstem Barockrezitativ verkündet.


Alles in allem also ein recht abwechslungsreicher und (zumindest für mich) erstaunlich vielfältiger Querschnitt durch den Faust-Stoff in der Musik. Wer hätte gedacht, daß es so viele Verarbeitungen des ohnehin bereits in der Literatur recht beliebten Themas gibt. Allesamt bieten sie gelungene Interpretationen mit viel Unterhaltungswert, die wahre inhaltliche Bedeutung wird sich in aller Tiefe wohl trotzdem nur dem Leser des Dramas erschließen, der bereit ist, sich auf "Goethe pur" einzulassen.


1727 Wörter


Totenmesse zu Ehren bedeutender Persönlichkeiten oder Bekannten des Komponisten

umfangreiches, mehrsätziges, episch-dramatisches Werk für Soli, Chor und Orchester

mehrsätzige, instrumental begleitete, lyrische Vokalkomposition

Texter

René Magritte (1898-1967): belg. Maler des Surréalismus