Cyclodextrine



Cyclodextrine


Inhaltsverzeichnis


1. Gewinnung, Struktur und Eigenschaften



Name

Geschichtliches

Gewinnung                                             

1.4 Struktur

1.5 Eigenschaften

1.6 Derivate

2. Komplexbildung

2.1 Bildung des Komplexes

2.2 Auflösung des Komplexes

3. Anwendung von Cyclodextrinen

3.1 Wirkungsprinzipien

3.2 Anwendungsbereiche

4. Anhang



1. Gewinnung, Struktur und Eigenschaften


Name

Cyclodextrine sind ringförmige Abbauprodukte von Stärke. Es gibt verschiedene Namensgebungen für Cyclodextrine, man nennt sie beispielsweise nach dem Stärkebestandteil Amylose "Cyclo-amylosen" , "Cycloglucane" oder nach ihrem Entdecker"Schardinger-Dextrine". Die drei häufigsten Cyclodextrine sind α-Cyclodextrin mit 6, β-Cyclodextrin mit 7 und γ-Cyclodextrin mit 8 Glucoseeinheiten (Abb.1).


Abb.1 Strukturen der Cyclodextrine¹


Geschichtliches

Cyclodextrine wurden zuerst 1891 von Villiers isoliert und im Jahr 1903 charakterisierte Schardinger sie als cyclische Oligosaccharide. Zwischen 1911 und 1935 forschte der Deutsche Pringsheim an den Cyclodextrinen und fand heraus, dass diese in wässrigen Lösungen stabile Komplexe mit anderen Substanzen bilden. Die Molekulargewichte der Cyclodextrine wurden erst 1950 von Freudenberg und Cramer bestimmt. Vorerst erkannte man ihren großen technischen Nutzen noch nicht. Die unzähligen Anwendungen, die durch diese Stoffe erschlossen wurde, sind das Produkt aus 30 Jahre Forschung.¹


¹ Gröger, M.; Woyke, A.; Kretzer, E. K. (2002) S. 28



Gewinnung

Cyclodextrine erhält man durch enzymatischen Abbau von Stärke. Dabei wird eine Windung der Stärke-Helix enzymatisch heraus geschnitten und anschließend werden die Enden erneut zu einem Oligosaccharid mit 6 bis 8 Glucoseeinheiten verknüpft (Abb.2).¹ Diese dafür benötigten Enzyme heißen Cyclodextrin-Glycosyltransferasen (CGTasen). Mit der zuerst entdeckten, aus einem Bazillus stammenden Bacillus macerans CGTase erhält man ein Gemisch von α-, β- und γ- Cyclodextrin, wobei in diesem Gemisch β-Cyclodextrin mengenmäßig überwiegt. Aus der Tatsache, dass eine Windung der Stärke-Helix aus 6 bis 7 Glucoseeinheiten besteht, ergibt sich diese vorwiegende Ringgrößenbildung. Zudem können Ringe, die aus weniger als 6 Glucose-einheiten bestehen, aus sterischen Gründen nicht gebildet werden. In der Literatur wurden bisher Cyclodextrine mit 9 bis 17 Glucoseeinheiten beschrieben. Diese höheren Homologe können zwar auch synthetisiert werden, lassen sich aber kaum mehr auftrennen und zeigen zudem schlechtere Komplexierungseigenschaften.


Abb.2 Schematische Darstellung der enzymatischen Wirkung der CGTasen ³


¹ Internet-Adresse von Immel: siehe Linkliste im Anhang.

² Gröger, M.; Woyke, A.; Kretzer, E. K. (2002) S. 28

³ Reader Cyclodextrine: siehe Linkliste im Anhang



1.4 Struktur

Die Glucoseeinheiten der Cyclodextrine sind α-1,4-glykosidisch verknüpft, das bedeutet, dass jeweils das 1. C-Atom des einen mit dem 4. C-Atom des nächsten α-Glucosemoleküls über ein Sauerstoffatom verbunden ist. Die Moleküle der Cyclodextrine sind in der "Sessel"-Form angeordnet (Abb.3). Dabei sind die "Sitzflächen" des "Sessels" in etwa parallel zur Achse des Cyclodextrins.


Abb.3 α-D-Glucose-Molekül in der "Sesselkonformation" ²


Im unteren Teil des Cyclodextrinmoleküls befinden sich die Ring-Sauerstoffatome, die C5-Atome der Glucosemoleküle und die primären Hydroxygruppen. Der obere Teil wird durch die Kohlenstoffatome 2 und 3 der Glucosemoleküle mit den sekundären Hydroxygruppen gebildet. Auf der unteren Seite, wo sich die primären Hydroxygruppen befinden, ist der Innenraum durch deren freies Rotieren enger. Dies führt durch diese Anordnung zu einer kegelstumpfförmigen Gesamtstruktur des Cyclodextrinmoleküls und daher wird die Molekülstruktur bzw. das Molekül selbst auch als Konus bezeichnet. Da die nicht bindenden Elektronenpaare der glykosidischen Sauerstoff-Brückenatome nach innen zeigen, verleiht dies dem Innenraum eine hohe Elektronendichte.³ Die Hydroxylgruppen sind an den Rändern des Cyclodextrins angeordnet, deshalb ist der Hohlraum im Inneren hydrophob (Wasser abstoßend, nicht in Wasser löslich), während der äußere Bereich hydrophil (Wasser anziehend, in Wasser löslich) ist (Abb.4).4



¹ Internet-Seite von Ritter: siehe Linkliste im Anhang

² Reader Cyclodextrine: siehe Linkliste im Anhang

³ Gröger, M.; Woyke, A.; Kretzer, E. K. (2002) S. 29

Der Brockhaus multimedial (2004)







Abb.4 Schematische Darstellung des molekularen Aufbaus der Cyclodextrine 1


Auf Abbildung 5 werden einige Daten zu den Molekülabmessungen angegeben. Auffällig ist hierbei, dass die Hohlraumhöhe bei allen drei Cyclodextrinen gleich groß ist und dass alle restlichen Größen, von α- bis γ-Cyclodextrin gesehen, ansteigen.


Abb.5 Molekulare Größen von Cyclodextrinen ²




Gröger, M.; Woyke, A.; Kretzer, E. K. (2002) S. 29

² Reader Cyclodextrine: siehe Linkliste im Anhang



1.5 Eigenschaften

Cyclodextrine werden in sauren Medien, deren pH-Wert kleiner als 3 ist, hydrolisiert und bleiben dagegen in alkalischen Lösungen stabil. Ihre Schmelzpunkte sind nicht klar definierbar. Über einer Temperatur von 200° beginnen sie sich zu zersetzen. Aufgrund der hydrophilen Hülle sind sie relativ gut wasserlöslich. Die Löslichkeiten der Cyclodextrine steigen mit der Temperatur an.1 Die Tabelle (Abb.6) zeigt einige Eigenschaften der Cyclodextrine im Vergleich auf. Dabei zu beachten ist die geringe Wasserlöslichkeit von β-Cyclodextrin.


Abb.6 Tabelle mit einigen Eigenschaften der Cyclodextrine ²


Die Wasserlöslichkeit von β-Cyclodextrin ist deshalb so gering, da an den 2. und 3. C-Atomen benachbarter Glucoseeinheiten Wasserstoffbrückenbindungen gebildet werden wodurch diese Hydroxygruppen in wässriger Lösung nicht mit Wassermolekülen wechselwirken. Dies führt zu einer deutlich geringeren Wasserlöslichkeit als die der anderen zwei Cyclodextrine.1


1.6 Derivate

Durch Derivatisierung lassen sich verschiedene Eigenschaften, wie z.B. die Wasserlöslichkeit oder die Reaktivität, verbessern, d.h. die Cyclodextrine werden chemisch verändert. In allen Fällen reagieren die Hydroxylgruppen zu Estern bzw. Ethern. Ein Derivat von β-Cyclodextrin namens Me-β-CD beispielsweise löst sich bei 25° 150mal mehr als unverändertes β-Cyclodextrin. In der Tabelle (Abb.7) sind einige Derivate mit besonderen Eigenschaften aufgelistet.



Gröger, M.; Woyke, A.; Kretzer, E. K. (2002) S. 29/30

² Reader Cyclodextrine: siehe Linkliste im Anhang


Abb.7 Derivate und deren Eigenschaften 1


2. Komplexbildung


2.1 Bildung des Komplexes

Cyclodextrinen ist es ermöglicht mit anderen Molekülen Komplexe zu bilden. Man spricht dabei von einer Wirt-Gast-Beziehung, für deren Ausbildung mehrere Bedingungen erfüllt sein müssen:

Zuallererst muss das Gastmolekül mit seiner Größe und Geometrie in den Hohlraum des Cyclodextrins passen. Die Triebkraft der Komplexbildung besteht im Auswechseln der Wassermoleküle durch die hydrophoben Gastmoleküle (Abb.8). Es entstehen Wechselwirkungen zwischen unpolaren Molekülteilen von Wirt und Gast und es kommt zu einem stabileren Zustand mit geringerer Energie, da die Ringspannung sinkt. Cyclodextrine sind mit Gastmolekülen durch Van-der-Waals-Kräfte, hydrophobe Wechselwirkungen und Wasserstoffbrückenbindungen verbunden.²




Reader Cyclodextrine: siehe Linkliste im Anhang

Gröger, M.; Woyke, A.; Kretzer, E. K. (2002) S. 31


Abb.8 Schematische Darstellung der Komplexbildung in Gegenwart von Wasser ²


Bei der Bildung der Komplexe lassen sich mehrere Schritte nachvollziehen:

Zunächst nähert sich das Gastmolekül dem Cyclodextrinmolekül an und die hydratisierenden Wassermoleküle können mit den Hydroxylgruppen am Rand des Cyclodextrins wechselwirken. Danach werden die Wassermoleküle aus dem Hohlraum entfernt und an das umgebende Wasser abgegeben. Nun entstehen Van-der-Waals-Kräfte und Wasserstoffbrücken zwischen Wirt und Gast und die Hydratstruktur um den Komplex wird restrukturiert.


2.2 Auflösung des Komplexes

Will man den in 2.1 beschriebenen Komplex wieder auflösen, so ist wiederum eine gewisse Menge Wasser erforderlich um umgekehrte Vorgänge stattfinden zu lassen. Die Dissoziation verläuft trotz einer anfänglichen Energiehürde aufgrund der Wechselwirkungen schnell, da die Zahl der Wasser-moleküle um den Käfig rasch ansteigt. Nach der Auflösung, wenn das Gastmolekül das Cyclodextrinmolekül verlassen hat, ist ein erneuter Zusammenschluss der beiden unwahr-scheinlich, denn das freigesetzte Molekül bleibt frei in der Lösung oder fällt aus.²






Gröger, M.; Woyke, A.; Kretzer, E. K. (2002) S. 31

² Reader Cyclodextrine: siehe Linkliste im Anhang


3. Anwendungen von Cyclodextrinen


3.1 Wirkungsprinzipien


Durch die Eigenschaften mit Gastmolekülen Wirt-Gast-Komplexe bilden zu können, ergeben sich einige Anwendungsmöglichkeiten der Cyclodextrine. Mit dieser Eigenschaft können verschiedene Effekte erzielt werden. Beispielsweise ist es durch dieses Verfahren möglich geworden die Wasserlöslichkeit von bestimmten Wirkstoffen zu steigern oder diese gegen Licht, UV-Strahlung, thermischen Zerfall, Oxidation und Hydrolyse zu stabilisieren. Weitere wichtige Effekte sind die Verminderung von Flüchtigkeit, unangenehmem Geruch und schlechtem Geschmack sowie die Fixierung von Flüssigkeiten als Pulver, um nur ein paar Beispiele aufzuzeigen.1


3.2 Anwendungsbereiche

Nun möchte ich einige Bereiche aus Abbildung 9, in denen Cyclodextrin angewendet werden kann, näher aufzeigen und erläutern.


Abb.9 Anwendungsbereiche von Cyclodextrinen ²


Gröger, M.; Woyke, A.; Kretzer, E. K. (2002) S. 31

² Reader Cyclodextrine: siehe Linkliste im Anhang


3.2.1 Pharmazie


Da es in diesem Bereich einige Stoffe gibt, die schlecht wasserlöslich sind, brauchen diese einen Lösungsvermittler, der sie in den wässrigen Systemen des Körpers verteilt. Dies hat den Vorteil, dass sie sich gelöst besser dosieren lassen. Zudem können nachteilige Geruchs- oder Geschmackseffekte sowie Haut- oder Augenreizungen aufgehoben werden. Des weiteren lassen sich molekular eingekapselte Wirkstoffe durch Cyclodextrin-Komplexe so verändern, dass sie nicht mehr wechselwirken. Mit Cyclodextrinen lassen sich z.B. Pulver herstellen, die einfach zu handhaben und zu dosieren sind. Dadurch verringern sich Verpackungs- und Lagerungskosten für Unternehmen.1 Nachfolgend einige Beispiele:


a. Knoblauchpillen

In Knoblauchpillen maskieren Cyclodextrine den unangenehm Geruch des Knoblauch-Wirkstoffes Allicin (siehe Abb.). Dafür wird beispielsweise β-Cyclodextrin verwendet.²


b. Augentropfen

In Augentropfen und -salben wird die Reizung der Augen und die Stabilität und Löslichkeit der Wirkstoffe durch Cyclodextrin-Komplexe verbessert.²


c. Nitroglycerin

Da Nitroglycerin ein Explosivstoff ist und selbst in starken Verdünnungen sehr instabil ist, kann er durch eine Komplexbildung mit β-Cyclodextrin explosionssicher gemacht werden.²


3.2.2 Kosmetik

In diesem Bereich werden Cyclodextrine dazu verwendet um riechende Stoffe zu maskieren und zudem dringen komplexierte Wirkstoffe in Salbenform tiefer in die Haut.1 Ein Beispiel hierfür ist:



Gröger, M.; Woyke, A.; Kretzer, E. K. (2002) S. 31

² Reader Cyclodextrine: siehe Linkliste im Anhang



Selbstbräuner

Selbstbräuner imitieren die Reaktion zwischen UV-Strahlung, Proteinen und Aminosäuren, die zum natürlichen braunen Hautpigment Melanin führt. Der grundlegende Wirkstoff nennt sich Dihydroxyaceton (siehe Abb.). γ-Cyclodextrin dient nun dazu, diesen Wirkstoff zu stabilisieren und dessen Moleküle, die einen üblen Geruch verursachen zu komplexieren.1



3.2.3 Nahrungsmittel

Durch Komplexbildung lassen sich in diesem Bereich z.B. Vitamine, ungesättigte Fettsäuren und Aromastoffe gegenüber Sauerstoff- und Lichteinwirkung sowie Zersetzung aufgrund von Wärme und Verlusten durch Flüchtigkeit schützen. Es können schädliche Elemente vernichtet werden und wertvolle Elemente ohne Verunreinigung Lebensmitteln hinzugefügt werden. Man verwendet Cyclodextrine auch dazu den Geschmack beim Kauen von Kaugummis länger zu erhalten, Fischöle zu stabilisieren oder flüssigen Honig oder Fruchtsäfte in Pulverform zu überführen. In Japan setzt die Firma Nestlé beispielsweise β-Cyclodextrin in ihren "Ice Tea" ein.² Weitere Beispiele:


a. Aromastoffe

Die Herstellung und Verarbeitung von Aromen ist aufwändig, da die Rohmaterialien wechselnde Zusammensetzungen haben und die Lagerzeiten zum Aromaverlust führen. Jedoch gelingt es mit Cyclodextrinen stabile Komplexe in Pulverform herzustellen und deren Herstellung ist einfach. Dadurch werden Aromastoffe länger haltbar gemacht, die Stoffe können dann auch von Diät-patienten ohne Risiko aufgenommen werden und eine mikrobiologische Verschmutzung in dehydratisierten Zubereitungen kann ausgeschlossen werden.1


b. Zigarren und Zigaretten

Das Problem bei Tabakaromen liegt darin, dass diese Substanzen während der Lagerzeit nach und nach verdampfen. Werden sie jedoch in Cyclodextrinkomplexen eingelagert, verbleiben sie im Tabak und setzen sich erst wieder bei der Verbrennung frei. Menthol wird somit in Mentholzigaretten fixiert (siehe Abb.). Wird die Cellulose von Zigarettenfiltern mit Cyclodextrinen imprägniert, so wird ein mehrfaches von Teer- und Nikotinmengen zurückgehalten (siehe Abb.).1


Gröger, M.; Woyke, A.; Kretzer, E. K. (2002) S. 31

² Reader Cyclodextrine: siehe Linkliste im Anhang




c. Pappkartons

Kartons dienen der Verpackung von Lebensmitteln. Deren Pappe enthält jedoch auch stark riechende Stoffe aus recyceltem Material. Deshalb wird dem Material Cyclodextrine hinzugegeben damit weder die Geruchsstoffe der Pappe noch die der Lebensmittel sich verflüchtigen können.1


3.2.4 Haushalt

Große Firmen fanden heraus, dass sie besonders gute Eigenschaften, die ihre Produkte darstellen sollen, wie z.B. Sauberkeit, Weichheit und Frische, mit Düften assoziieren müssen um ihre Kunden dazu anzuregen ihre Produkte zu kaufen. Die Duftstoffe in diesen Produkten "übertünchen" den Geruch der Detergentien, verduften jedoch sehr schnell. Mit Cyclodextrinen ist es nun möglich, diese Parfüme erstens zu stabilisieren und zweitens die Parfümbestandteile in den Cyclodextrin-Käfigen lange darin enthalten zu lassen, damit sie länger auf Fasern haften und nicht so schnell ausgewaschen werden. Ein Paradebeispiel hierfür ist der Textilerfrischer Fébrèze® (siehe Abb.).²



Reader Cyclodextrine: siehe Linkliste im Anhang

² Gröger, M.; Woyke, A.; Kretzer, E. K. (2002) S. 31/32