Über das Klonen von
Menschen
Einführung
Aus
vielen Science Fiction Romanen, Filmen und Erzählungen kennt man die
biochemische Technik des Klonens von Menschen. Exemplarisch sei hier nur der
Sci-Fi Klassiker 'Brave new World' des britischen Autors Aldous Huxley
genannt. In diesem Buch gibt es ein Verfahren, den sogenannten
Bokanowsky-Prozeß, mit dem es möglich ist, knapp hundert erbgutgleiche Menschen
zu erschaffen, die in fünf unterschiedlichen Klassen je nach Bedarf hergestellt
werden können.
Auch heute, im Jahr 1995, 63 Jahre nach dem Erscheinen des besagten Buches, regen Klonen und Gentechnik die Phantasie des Menschen immer noch an. Der beste Beweis dafür ist der finanzielle Erfolg des Filmes 'Jurassic Park', in dem Dinosaurier aus ihrem in Bernstein verpackten und konservierten Erbgut wieder zum Leben erweckt werden.
Keine bloße Fiktion
Vieles, was vor wenigen Jahren als undenkbar galt, ist heute allerdings schon biochemisch möglich. 1978 wurde das erste Retortenbaby in Großbritannien geboren. Zwei Jahre später haben Wissenschaftler zum ersten Mal Vieh klonen können. 1993 schließlich sorgten Dr. Robert Stillman und Jerry Hall, zwei Wissenschaftler der George Washington Universität, für heftige Diskussionen, als es ihnen erstmals gelang, menschliche Embryos zu duplizieren.
Biochemische Grundlagen
Das Verfahren ist das gleiche, mit dem schon seit mehr als einem Jahrzehnt Vieh geklont wird: Stillman-Hall benutzten für die Versuche allerdings langfristig nicht lebensfähige Embryos, die von mehr als einem Spermium befruchtet wurden. Deswegen wuchs kein Embryo weiter als sechs Tage.
Wenn es bei dieser einen Zelle zu einer Zellteilung kam, wurden die beiden neu entstandenen Zellen künstlich getrennt, damit zwei verschiedene Embryos mit derselben genetischen Information entstanden. Dieser Prozeß kommt auch in der Natur vor und führt zu eineiigen Zwillingen. Die Embryos bekamen zusätzlich eine künstliche Hülle. Auf diesem Weg entstanden 48 Klone, die - siehe oben - nach spätestens sechs Tagen gestorben sind. Das war das ganze Experiment.
Davon, menschliche Lebewesen aus der DNA erwachsener Menschen zu kopieren (vgl. Jurassic Park), ist die Wissenschaft noch gottlob weit entfernt; - vielleicht auch ein Grund, der Forschung von vornherein einen Riegel vorzuschieben. Klonen in seiner bisherigen Form hat übrigens nichts mit Gentechnologie zu tun und sollte auf gar keinen Fall damit verwechselt werden.
Die weltweite Resonanz
Die weltweite Resonanz auf diese Versuche war überwiegend ablehnend: Der damalige französische Präsident, François Mitterand, war 'entsetzt'; die vatikanische Hausgazette warnte, daß diese Entwicklung 'in einen Tunnel des Wahnsinns führen' würde.
Auch weniger ranghohe Menschen lehnen das Klonen mit großer Mehrheit ab, wie verschiedene Umfragen ergaben. Selbst in den liberalen Vereinigten Staaten wünschten sich 46 % der Bevölkerung [Die Zahlen stammen aus einer Telefonumfrage, die von der Firma Yankelovich Partners Inc. im Auftrag von TIME Magazine und CNN bei 500 erwachsenen Amerikanern durchgeführt wurde.] ein Gesetz, das dem Klonen menschlicher Embryos einen Riegel vorschiebt.
Heutzutage rechtfertigt man sein Tun nicht mehr in Briefen oder Fachzeitschriften, sondern - wie Jerry Hall - in der Talkshow Larry King Live (CNN):
'Wir haben nur Basisinformationen gesammelt. Die Ethiker, Mediziner und die Öffentlichkeit müssen entscheiden, welche Regeln uns in die Zukunft leiten.'
Gegenüber TIME erklärten Hall und Stillman, daß Klonen für sie der nächste logische Schritt auf dem Weg der künstlichen Befruchtung war. Angetrieben vor einer medizinischen Idee, wollten sie außerdem das 'Leiden' unfruchtbarer Paare beenden.
Nutzen des Klonens
Dem interessierten Beobachter scheint es, als ob aus wissenschaftlichem Ehrgeiz, ohne moralische Bedenken, geforscht würde und die Wissenschaftler sich erst hinterher Gedanken über Moral und mögliche sinnvolle Anwendungen machen. Welche Anwendungen lassen sich denn finden?
Unfruchtbare Paare könnten sich den Wunsch nach einem Kind erfüllen. Auch heute ist es (siehe oben) möglich, Retortenbabies zu schaffen, weswegen Klonen schon aus diesen Grund nutzlos erscheint. Allerdings argumentieren Wissenschaftler, daß man die niedrige Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Empfängnis eines eingepflanzten Eis so wesentlich erhöhen könnte.
EIN WEITERER DISKUTIERTER VERWENDUNGSZWECK IST DIE SCHÖPFUNG VON MENSCHEN ALS Z.B. KNOCHENMARKSPENDER. AUCH HEUTE SCHON WERDEN MENSCHEN ZU DEM ZWECK GEBOREN, DER ALTEREN SCHWESTER ODER DEM ALTEREN BRUDER LEBENSWICHTIGES KNOCHENMARK ZU SPENDEN. DAS GEZEUGTE KIND WEIST ALLERDINGS NUR IN EINEM GERINGEN TEIL DER FÜLLE EINE GENKOMPATIBILITAT AUF, DIE SOLCH EINE TRANSPLANTATION ERST MÖGLICH MACHT. DIESE WAHRSCHEINLICHKEIT FÜR EINE ÜBEREINSTIMMUNG BETRAGT BEI EINEM KLON MIT GLEICHER GENETISCHER AUSSTATTUNG ABER LOGISCHERWEISE HUNDERT PROZENT.
Auch eine Krebspatienten, die durch eine Chemotherapie steril wird, könnte sich eine Eizelle für die zukünftige Verwendung entnehmen lassen. Außerdem haben manche Eltern vererbbare Krankheiten (z.B. Bluterkrankheit). Ein Klon könnte dazu dienen zu testen, ob die erbgutgleiche Zelle diesen Gendefekt auch besitzt.
Wie weit Forscher gehen könnten, zeigte eine Vision, die in den Vereinigten Staaten die Runde machte: Aus einem Katalog mit Bildern von Kindern und einem Begleittext über ihren akademischen und sozialen Erfolg kann man deren geklonte Embryos ähnlich wie einen Toaster bei Quelle bestellen. In Samenbänken der USA ist es üblich, daß man schon Samen von anderen Menschen kaufen kann, dem eine Auskunft über die akademische 'Performance' ihres Produzenten beiliegt.
Oder ein Kind ist mittlerweile schon etwas älter, wieso soll man nicht den Wunsch haben, seinen Zwilling sechs Jahre später auf die Welt zu bringen? Eine Frau kann so ihre eigene Zwillingsschwester gebären.
Schon die jetzigen Praktiken in Samenbänken, Forschungslabors u.ä. Organisationen haben besonders in den Vereinigten Staaten viele Fragen aufgeworfen: Was macht man mit überschüssigen, befruchteten Eizellen? Dürfen sie für die medizinische Forschung verwendet werden? Dürfen sie ausschließlich für medizinische Zwecke [Angeblich könnte die Forschung an Embryonen zu Erkenntnissen über Krebs, anderen Krankheiten, Unfruchtbarkeit und die Entwicklung des Menschen gelangen.] geschaffen werden, ohne daß jemals die Absicht dahintersteckt, ein menschliches Lebewesen zu erschaffen?
Darf man hier geschlechtsspezifische Auswahlen vornehmen, z.B. wenn sich Eltern ein Mädchen wünschen? Darf man Zellen eines Embryos entnehmen, bevor er zurück in die Gebärmutter eingepflanzt wird? Das sind nur einige der höchstaktuellen Fragen, mit denen sich in den Vereinigten Staaten Mitglieder des nationalen Gesundheitsministeriums beschäftigen.
Kritik an den Wissenschaftlern
Zunächst ist die Einstellung der Forscher jedenfalls moralisch zuhöchst bedenklich, weil sie jede ethische Verantwortung ablehnen. Sie stellen sich (vgl. Interview) als von der Gesellschaft abgekoppelte Wissenschaftler dar, die ausschließlich der Wissenschaft dienen. Das ist falsch, weil sie a. durch erhebliche Steuermittel finanziert werden und b. jede menschliche Handlung, also auch die Forschung, ethischen Gesichtspunkten unterliegen sollte.
Der Ausdruck 'Basisinformationen sammeln' suggeriert ein bloßes und passives Aufheben 'herumliegender' Fakten. In Wirklichkeit ist dies aber eine aktive Handlung.
Viele Wissenschaftler hätten das Klonen von Menschen durchführen können, wenn es sich so wenig vom Klonen von Tieren unterscheidet. Sie haben es nicht getan - wahrscheinlich aus ethischen Gründen. Aber irgendwo finden sich immer Leute, die berühmt werden wollen. Hall-Stillman werden vielleicht bald in einer Reihe mit Crick-Watson, den Entdeckern der DNA, genannt.
Sie haben noch nicht einmal ihrer Forschung einen Dienst erwiesen. Mit ihrem Experiment verstärken sie die Meinung in der Bevölkerung, daß sich die Forschung nur dem unabdingbaren, kompromißlosen Fortschritt verschrieben hat. Sinnvolle Anwendungen neuer Biotechnologien finden so auch nur Unverständnis.
Kategorische Kritik am Klonen
Möchte man das Klonen selber angreifen, so bietet es sich entweder an, die möglichen Anwendungsformen dieses biochemischen Verfahrens zu kritisieren oder das Klonen aus moralischen Gründen kategorisch abzulehnen. Es ist nämlich unter Wissenschaftlern, Medizinern und Philosophen heftig umstritten, ab wann Leben beginnt und ob man schon mit der Befruchtung einer Eizelle von einem menschlichen Individuum sprechen kann (vgl. Abtreibungsdiskussion). Die Ansichten über ein Embryo variieren hier von einem undifferenzierten Klumpen von Zellen bis hin zu einer Person.
Auch ist zu fragen, ob es ein moralisches Recht auf eine genetische Einzigartigkeit gibt? Schließlich kommt es auch in der Natur immer wieder vor - nämlich bei eineiigen Zwillingen -, daß sich zwei erbgutgleiche Menschen entwickeln. Das TIME-CNN Interview ergab, kaum überraschend, daß die wenigsten von uns gerne als Klon geboren worden wären.
So gut wie jede Anwendung des Klonens führt automatisch zu einer Beurteilung des genetischen Materials. Menschen könnten aufgrund ihrer genetischen Ausstattung wie im Dritten Reich als minderwertig angesehen werden, obwohl es unumstritten ist, daß die Erziehung einen ebenso wesentlichen Anteil am Charakter eines Menschen hat. Bei Tieren ist es übrigens schon möglich: 32 identische Zuchtbullen könnten von weniger 'wertvollen' Tieren ausgetragen werden.
Aus China kennt man die Praktiken hinsichtlich der Kinder: Dort darf man von Staats wegen nur ein Kind bekommen, und das sollte nach dem Willen vieler chinesischer Eltern möglichst ein Stammhalter und keine Frau, die in eine andere Familie hineinheiratet, sein.
In den ärmeren Familien Chinas ist es häufig so, daß Mädchen kurz nach der Geburt getötet werden. Die Kliniken bieten Familien mit mittlerem Einkommen die Möglichkeit des Ultraschalls, so daß ein unerwünschtes Mädchen durch eine Abortion verhindert werden kann. Eine geschlechtsspezifische Selektion wäre bloß eine subtilere Form davon.
Je mächtiger die Instrumente sind, die man den Medizinern in die Hand gibt, und je mehr Nachfrage nach diesen Werkzeugen besteht, desto größeren Schaden können sie anrichten - nicht nur in China. An Chimäre und die Übertragung von menschlichen Embryos in Tiere zum Austragen möchte ich hier gar nicht denken. Das ist nur die 'konsequente und logische Weiterführung der Forschung', um mit Hall-Stillman zu sprechen.
Und in unserer Zeit mit Emanzipation, Hektik und Selbstverwirklichung scheint es ja sowieso viel zu lästig, ein Kind noch selber zur Welt zu bringen. Ich kritisiere nicht die Emanzipation an sich, sondern verschiedene 40jährige Frauen, die noch schnell ein Kind zur Welt bringen wollen, weil ihnen 'diese Erfahrung noch fehlt'.
Kritik der möglichen Anwendungen
Die zweite Möglichkeit der Kritik bietet die Reflektion über die Anwendungsformen: Wie schon angesprochen, schafft man sich mit Knochenmarksspendern 'lebende Ersatzteillager'. Die Würde der Menschen, die nach unserem Grundgesetz eigentlich 'unantastbar' sein sollte, wird hier empfindlich verletzt. Kantisch gesprochen ist das Kind nur Mittel, kein Zweck mehr. Wer würde schon gerne erfahren, daß der einzige Grund für die Existenz auf Erden die Schwester oder der Bruder war?
Ist es tatsächlich ein 'Leiden' im medizinisch-pathologischen Sinne, wie das Forscherpaar meint, wenn eine Ehe kinderlos bleibt? Bleibt hier nicht vielleicht auch die Möglichkeit der Adoption, mit der Kindern ohne ein Heim eine Familie gegeben wird?
Aus einer utilitaristischen Sichtweise könnte man á la Singer sicherlich die eine oder andere Anwendung noch legitimieren. Doch scheinbar kennen viele Wissenschaftler und Mediziner keine Grenzen mehr: Täglich liest man neue Meldungen in der Zeitung, wie zum Beispiel die Verpflanzung von Zellen abgetriebener Föten in Menschen.
Schluß
Schon bei nur oberflächlicher Betrachtung wirft das Experiment also viele ethisch-moralische Probleme auf. Daß Hall-Stillman für ihren Versuch keine derartige Verantwortung übernehmen wollen, wirft ein schlechtes Licht auf die Wissenschaftler. Das zeigt, daß die Gesellschaft regen Anteil an einer Diskussion über die neuen Techniken haben muß. Auch im Sinne der Wissenschaftler, denn ernsthafte Biotechniker haben kein Interesse daran, daß durch biochemische Hirngespinste das Vertrauen der Bevölkerung in Technologien, die beispielsweise viele Krankheiten heilen können, auf ein Minimum reduziert wird.