Bionik - Technik der Zukunft



Bionik

Technik der Zukunft?






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Selbständige Vertiefungsarbeit Klasse SAM 7


Abgabetermin : 15.12.1999


Eine Arbeit von Reto Kaufmann

Inhaltsverzeichnis




Prolog Seite 3


Unterwissenschaften der Bionik Seite 4

Konstruktionsbionik

Sensorbionik

Strukturbionik Seite 5

Bewegungsbionik Seite 6

Neurobionik

Baubionik Seite 7


Welche realisierte und lauffähige Bionik gibt es ? Seite 8

Lotusblüteneffekt

Haifischhaut Seite 9

Roboterarm


Epilog Seite 10


Quellenverzeichnis Seite 11



1. Prolog


Die Selbständige Vertiefungsarbeit Bionik - Technik der Zukunft hat laut Vereinbarung gewisse Vorlagen, mit denen sich der Inhalt dieser Arbeit zu versucht.


Als Einführung sind einige Dinge zu erläutern:

Bionik (Biologie - Technik) ist ein Überbegriff für eine Fülle von Unterwissenschaften, welche alle die Erforschung und Umsetzung eines biologischen Systems für den Markt gemeinsam haben.

Die Natur stellt in der Regel jedoch keine Modelle zur Verfügung, eher Anregungen, wie ein bestehendes Problem gelöst werden kann. Aber was sonst könnte billiger sein, als ein perfektes, von menschlicher Hand unbeeinflusstes und absolut kostenloses Technologiezentrum zu infiltrieren?

Infiltrieren sollte nicht negativ verstanden werden. Im Gegensatz zur Gentechnologie wird das untersuchte Objekt nicht verändert, kann also - von gewissen Ausnahmen abgesehen - ohne weiteres an die Natur zurückgegeben werden.


Die Anregungen und Lösungen der Natur müssen stets auf eine mögliche Umsetzung geprüft werden. Leonardo da Vinci untersuchte mit einfachen Mitteln den Vogelflug und probierte die erworbenen Erkenntnisse auf einen Flugapparat umzusetzen. Leider scheiterte das Projekt, da ein Mensch unmöglich genug Kraft hatte, um diese Flügel zu bewegen.

Da Vinci betrieb trotz des Misserfolges Bionik (Kinematik), er erforschte die Grundlagen unter physikalischen Gesichtspunkten und probierte das Gefundene in Technik umzuwandeln. Der Vogelflug wird aber immer noch untersucht, heute aber unter Gesichtspunkten der Aerodynamik.

In jüngerer Zeit - in einem Zeitraum von 30 - 40 Jahren - wurde intensiver und mit mehr Elan geforscht, beträchtliche Erfolge (welche später erläutert werden) wurden erzielt.


Meine Themenwahl fiel deshalb auf Bionik, da in letzter Zeit häufig Medien über dieses Thema berichten und deshalb mein Interesse geweckt haben.

Zum Abschluss des Prologes noch einige Bionik - Definitionen, welche nicht aus meiner Feder stammen:


" Bionik ist lernen von der Natur als Anregung für eigenständiges technologisches Gestalten"

'Bionik als wissenschaftliche Disziplin befasst sich mit der technischen Umsetzung und Anwendung von Konstruktions-, Verfahrens- und Entwicklungsprinzipien biologischer Systeme'.

2. Unterwissenschaften der Bionik


Es folgt eine Auflistung einiger Unterwissenschaften der Bionik. Die Liste kann nicht ganz vollständig sein. Es gibt noch viele weitere Forschungsarten und Wissenschaften, deren Beschreibung aber den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde.



2.1 Konstruktionsbionik


In der Konstruktionsbionik werden Mechanismen der technischen und der biologischen Welt miteinander verglichen.

Diese Unterwissenschaft hat die Aufgabe zu untersuchen, wie Konstruktionselemente (z.B. Pumpkonstruktionen: Speichelpumpen, Herz) zu funktionierenden Gesamtkonstruktionen zusammenarbeiten.

In der Natur müssen Konstruktionen oft eine Vielzahl von Aufgaben erfüllen können. Das männliche Geschlechtsorgan dient gleichzeitig dem Urinieren wie der Fortpflanzung, die Nase analysiert gleichzeitig Gerüche, filtert die Atemluft und dient der Sauerstoffaufnahme. Für die Rationalität einer technischen Konstruktion und nicht zuletzt der Preisfrage wegen sind Konstrukte, welche viele Aufgaben erfüllen können (Pumpen, die saugen und Pumpen können), sehr wichtig.



Beispiel :


Das Klett - Prinzip, das einige Pflanzen zum Samentransport oder einige Wurmarten zur Fortbewegung nutzen, wurde vor etwa 30 Jahren dazu verwendet, Fototaschen mit verschiebbaren Innenfächern zu konstruieren. Heute verwendet man den "Klettverschluss" für Schuhe, Taschenverschlüsse, Bandagen, etc.


2.2 Sensorbionik


Diese Wissenschaft beschäftigt sich mit der Aufgabe, physikalische und chemische Reize zu messen und für unseren Verstand begreiflich zu machen. Auch Ortung und Orientierung gehören zu diesem Wissenschaftsbereich.

Im Körper des Menschen kreisen Stoffe in hoher Verdünnung, die für heutige Analysen kaum wahrnehmbar sind. Die Sensorbionik bedient sich beispielsweise einem Insekt, dessen Fühler extrem empfindlich auf den gewünschten Stoff reagieren, und wertet dann die entstehenden elektrischen Signale aus.





Beispiel :


Die Fledermaus ist ein nachtaktives Tier, das seine Nahrung (Insekten) mit einem Sonarsystem ortet. Das System ist ähnlich dem des Radars, funktioniert aber einfacher und ist auch einfacher nachzubauen, z.B. für Abstandsmessungen für Rückfahrtswarneinrichtungen in Lastwagen, Vermessungsgeräte für den Hausbau, usw.





2.3 Strukturbionik


Strukturbionik ist der Überbegriff für die Erforschung von technisch verwertbaren Materialien und Strukturen, die man in der Natur findet. Unkonventionelle Materialien und Strukturen (ich denke da zum Beispiel an ein Wespennest, welche interessante Strukturen und einfachste Materialien mit höchst möglicher Effizienz kombiniert) werden auf ihre Eignung für die kommerzielle Transformation geprüft.


Beispiel :



Im Jahr 1959 entdeckte ein Forscher den Bildungprozess der Diatomeenschale. Die Zelle synthetisiert kleine Fetttröpfchen, die sich an der Oberfläche anordnen und sich gegeneinander abplatten. In die Hohlräume wird Kieselsäure injiziert. Nach Abbau der Fetttröpfchen bleibt ein Kieselsäureskelett übrig, das stabil gegen Flächendrücke reagiert. Ein Architekt übernahm diese Technik und presste Gummiblasen zwischen zwei Blasen. Die entstehenden Hohlräume füllte er mit Gips aus und verwendete die Konstruktion für Abdeckungen und dergleichen.




2.4 Bewegungsbionik


In der Fauna zählen laufen, schwimmen und fliegen zu den Hauptfortbewegungsarten. Die Natur hat diese Bewegungen bis zur Perfektion verbessert, und so kann die Bewegungsbionik von einer Fülle von Anregungen (Bewegungsablauf eines schwimmenden Delphins oder einer fliegenden Krähe, Oberflächenbeschaffenheit eines Walfischs) profitieren.


Beispiel:


In Deutschland wurde ein Laufroboter mit sechs Beinen entwickelt, dem das Steuer- und Nervensystem einer Heuschrecke als Vorbild Modell stand. Die Steuerkreise des Insektes sind nicht direkt miteinander verbunden, sondern bloss vernetzt. Steht ein Bein vor einem Hindernis, setzen andere Beine schon über das Hindernis hinweg, ohne komplizierte Berechnungen durchführen zu müssen.


Die Hausfliege, im Normalfall lästig ohne Ende, ist ein Paradebeispiel für vernetztes Kommunizieren verschiedener Körperteile. Auch dieses Tier dient als Vorlage für einen Roboter, der Rundumsicht wie die Fliege besitzt, und der das vernetzte Denken der Fliege nachahmt.



Auf dem Drehbaren Kopf sind zahlreiche Kameras angeordnet, die dem Roboter eine Rundumsicht ermöglichen. Auf der zweiten Ebene ist die Steuerelektronik untergebracht, und auf der untersten Ebene die Bewegungsmechanik.




2.5 Neurobionik


Neurobionik befasst sich mit dem Gehirn, dem Datenverarbeitungsystem unseres Körpers und dem Nervensystem, dem Datentransfer. Sie erforscht das Zusammenspiel Datenaufnahme - Datenverarbeitung und versucht, die gewonnen Erkenntnisse in KI (Künstliche Intelligenz) einfliessen zu lassen. Da die konventionellen Speicher heutiger Computersysteme nicht mehr lange reichen werden, müssen neue Medien gefunden werden. Meiner Meinung nach werden dies Biospeicher basierend auf Forschungen aus dem Gebiet der Neurobionik sein.


Beispiel :


Im Auge eines Krebses wurde bereits in den 50 - er ein Schaltungsmechanismus entdeckt, der die Helligkeitskontraste von Licht-Schatten-Grenzen verstärkt. Dieses Prinzip findet sich ebenso in Wirbeltieraugen wie im Menschenauge wieder. Optische Geräte, mit denen z.B. der Windabdrift von Flugzeugen gegenüber dem Untergrund gemessen oder die automatische Scharfstellung von Diaprojektoren gewährleistet werden sollen, funktionierten erst, nachdem dieses biologische Prinzip übernommen worden war.




2.6 Baubionik


Homo Sapiens überziehen den ganzen Erdball mit grossen und kleinen Bauwerken, jedoch nicht mit der von der Evolution entwickelten Finesse. Die Baubionik erforscht Bautechnologien von Flora und Fauna, um sie praktisch umzusetzen. Zum Beispiel das Wärmeaustauschsystem von Termitenbauten, Anordnung von grossblättrigen Pflanzen in Relation zu Sonnenlicht oder elastische Bauformen wie Spinnennetze.


Beispiel :


Rosettenpflanzen richten ihre Blätter so aus, dass sie sich bereits während der Entwicklung und auch während des weiteren Lebens in Ausrichtung zur Sonne gegenseitig möglichst wenig beschatten. Italienische Architekten haben in einem Wohngebiet in Rom eine 13-stöckige Hauskonstruktion nach dem Prinzip solcher Rosettenpflanzen gebaut. Die Wohneinheiten sind platzsparend so ineinander verschachtelt, dass sich die einzelnen Einheiten im Sommer (bei sehr starker Sonne) gegenseitig etwas beschatten, im Winter aber möglichst wenig die Sonne wegnehmen.


3. Welche Realisierte und lauffähige Bionik gibt es ?



Da Bionik schon seit einiger Zeit betrieben wird, gibt es einige "Erfindungen", welche bereits industriell und von der Masse genutzt werden.




  1. Lotusblüteneffekt übertragen auf Oberflächenbeschichtungen


Der Namen dieses Effektes stammt von der Heiligen Lotuspflanze, deren Blattoberfläche praktisch unbenetzbar ist. Dieser Effekt wurde zwar schon in den 70er Jahren entdeckt. Jedoch wurde erst vor einiger Zeit entdeckt, dass die Oberflächen zudem auch selbstreinigend sind.



Das interessante daran ist, dass die Blattoberfläche nicht völlig glatt, sonder stark aufgerauht ist. Dies bewirken stark gewölbte Zellen und spezielle Wachskristalle von der Grösse weniger Mikrometern. In Kombination bewirken sie eine hydrophobe (wasserabweisende) Oberflächenstruktur, welche auch gegen natürliche Einflüsse äusserst widerstandsfähig ist.





Anders verhält es sich gegen Umweltchemikalien wie z.B. Pflanzenschutzmittel, welche Tenside enthalten, die die Oberflächenstruktur des Blattes verändern und benetzbar machen. Infolge dessen können Pilzsporen und Krankheitserreger das Blatt besiedeln und die Pflanze zugrunde richten.


Die Idee der rauhen, unbenetz- bzw. unverschmutzbaren Oberfläche befähigt die Industrie, Autolacke und Oberflächenbeschichtungen auf physikalisch - chemischer Grundbasis herzustellen, welche in vielen Bereichen zur Anwendung kommen werden. Ein erstes Produkt wurde Anfang dieses Jahres von einer Farbfabrik unter dem Namen ispo Lotusan auf den Markt gebracht. Der Vorteil einer solchen Beschichtung ist leicht zu finden:

Reinigungsmaterial fällt nur noch bedingt an und dies entlastet die Umwelt.




2. Haifischhaut auf einen Airbus übertragen


Wassertiere bewegen sich in einem Medium, welches einen möglichst geringen Reibungswiderstand verlangt, wenn die Tiere nicht zuviel Energie für die Fortbewegung aufwenden wollen.

Deshalb stattete die Evolution einige Haifischarten mit einer oberflächentechnisch gesehen speziellen Haut aus, welche beim Schwimmen entstehende Wirbel beseitigt.


Die Haifischhaut ist in Strömungsrichtung fein gerillt, damit beim schwimmen entstehende Wirbel vermindert oder beseitigt werden.

Die Forscher massen diese Rillen aus, und übertrugen sie grössenverhältnissmässig auf Modelle, die sie in einem Strömungskanal testeten.


Eine Firma produzierte Prototypen einer Folie, die sich für die Beklebung auf Airbuse des Typs A340 eignet.

Nach einem Testflug konnte eine Reibungsverminderung von 8 % festgestellt werden, was ein Einsparung von 2.4 Tonnen Treibstoff pro Langstreckenflug bedeutet.





3. Elastisch angetriebener Roboterarm

In der elektromechanischen Robotik (Förderbänder, Schweissautomaten, Abfüllanlagen) sind möglichst spielfreie Gelenke gefragt. Vor allem deshalb, weil lotterige Gelenke und Übersetzungen ungenau und praktisch nicht zu kompensieren sind. Eine Firma hat das Problem jetzt von der anderen Seite her angepackt. Sie nahmen sich die Natur zum Vorbild (genauer: den menschlichen Muskel) und lösten das Problem mit einem elastischen Roboterarm, welcher mit Elektromotoren und Zugfedern gesteuert und angetrieben wird. Ein Roboterarm dieser Art hat einige Vorteile: Prallt der Arm auf etwas unerwartetes, geben die Federn nach und hinterlassen keine allzu grossen Schäden. Da die Gelenke nicht spielfrei sein müssen, ist die Herstellung billiger und weniger aufwendig. Der elastische Roboterarm ist jedoch aufwendiger zu steuern. Zwar sind alle Schwingbewegungen kompensierbar, dafür aber rechenaufwendiger. Das erfordert eine grössere Rechenleistung. Aber die Natur hat uns ja gezeigt, wie gut elastische Aktoren funktionieren.

Epilog



Grundsätzlich lässt sich das Thema Bionik schwer definieren. Wenige Menschen wissen überhaupt, was Bionik ist. Das lässt ein wenig auf die Popularität des Themas schliessen. Im Allgemeinen sehe ich eine grosse Zukunft für Bionik, wenn - und nur dann - sich Wissenschaftler einen Kodex auferlegen, welcher sie zwingt, anständig mit der Natur umzugehen. Gentechnologie ist im Vergleich zur Bionik mächtiger, aber um einiges schmutziger, da Tiere gezüchtet oder verändert und nicht bloss beobachtet werden.

Ob Bionik die Natur ausbeutet ist schwer zu sagen. Eine Ausbeutung bedeutet eigentlich, dass die ausgebeutete Lebensform kein eigenes Leben mehr hat und nur noch für die Ausbeutung selbst lebt, auch wenn dies der Lebensform gar nicht bewusst sein muss. Ich denke nicht, dass Bionik eine Ausbeutung ist, da nur einzelne Objekte einer Lebensform beobachtet werden und in seltenen Fällen ihr Leben lassen müssen.


Mein persönlicher Erkenntnisgewinn bezüglich des Themas:


Ich habe einen kleinen Einblick in eine Wissenschaft erhalten, welche in Zukunft einige Dinge entdecken und umsetzen wird. Eine saubere Wissenschaft, die sich das Wissen, das sich die Menschheit in der kleinen Zeitspanne, die sie schon auf diesem Planeten verbringt, mit dem Wissen der Natur, die schon einiges länger auf der Erde durchgehalten hat, zu Nutze machen kann.